Wirtschaftsbeziehungen
Blendende Zahlen, aber auch "unsichtbare Mauern"
Sieht man nur die Zahlen, sind die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen blendend. Doch blickt man genauer hin, gibt es reichlich Probleme, die Kanzlerin Merkel auf ihrer heute beginnenden China-Reise ansprechen könnte - von Subventionen bis zu "unsichtbaren Mauern".
Von Markus Rimmele, ARD-Hörfunkstudio Schanghai
Fragt man Chinas Konsumenten, was sie von deutschen Produkten halten, ist die Antwort fast einhellig positiv. Etwa bei diesem Schanghaier Fan von Leica-Kameras: "Das ist ein Gebrauchsprodukt und gleichzeitig ein Luxusgegenstand", sagt er. "Viele deutsche Produkte haben diese Qualität, dass sie beides miteinander vereinen. Das Design ist edel, der Inhalt aber präzise gearbeitet. Das schätze ich sehr."
China für Deutschland laut Schätzungen bald vor den USA
Umgekehrt schätzt die deutsche Industrie Chinas Konsumenten. Ohne den wachsenden chinesischen Markt stünde Deutschlands Wirtschaft inmitten der europäischen Schuldenkrise wohl längst nicht so gut da. Noch in diesem Jahr wird China zum zweitgrößten Exportmarkt für deutsche Produkte heranwachsen, nach Frankreich und vor den USA, schätzt das Ifo-Institut.
18 Prozent Plus bei VW, 38 Prozent bei BMW
Beispiel Leica: Das hessische Unternehmen expandiert, will bis 2015 in der Volksrepublik 30 Prozent seines Umsatzes generieren. Oder Volkswagen: Für den Autokonzern ist China bereits der größte Einzelmarkt weltweit. 2011 wuchsen die Verkäufe um 18 Prozent, bei BMW gar um 38 Prozent. Der Chemie-Riese BASF wiederum investiert Milliarden in bestehende und neue China-Standorte, darunter auch ein Forschungszentrum in Schanghai.
"Schon quasi ein chinesisches Unternehmen"
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb) Chinesische Mitarbeiter am BASF-Standort in Nanjing. Der Chemie-Konzern will weiter investieren.
Sein Unternehmen werde dadurch immer auch "ein bisschen chinesischer", sagt der BASF-Asien-Vorstand Martin Brudermüller. "Wir haben natürlich heute mit der BASF China schon quasi ein chinesisches Unternehmen. Wir machen unseren Umsatz in der chinesischen Währung RMB, wir haben chinesische Mitarbeiter, die Geschäfte werden auf Chinesisch abgewickelt." Wenn man sich vor Augen führe, dass rund 12,5 Milliarden Euro Umsatz in Asien und davon rund 5,8 Milliarden Euro in China gemacht würden, "dann sehen Sie, dass wir eine riesengroße Marktposition in China haben", so der BASF-Manager. "Die wird schnell wachsen, die werden wir ausbauen."
Aus dem Archiv (07.12.2011)
Logo des Kameraherstellers Leica (Foto: dapd)
Weitere Meldungen Leica träumt von einer chinesischen Zukunft Luxus, Lifestyle, Leica - mit diesem Dreiklang wirbt der deutsche Kamerahersteller in China um Kunden. Schon bald soll dort ein Drittel des Umsatzes erwirtschaftet werden.
Noch mehr Importe aus China als Exporte dorthin
Und dabei auch immer mehr chinesische Mitarbeiter einstellen. Immer enger verwoben ist die deutsche mit der chinesischen Wirtschaft. Die Bundesrepublik ist Chinas viertgrößter Handelspartner, lässt man Taiwan und Hongkong beiseite. Jede zweite deutsche Firma in China möchte dort weiter investieren und neue Niederlassungen eröffnen, so eine Umfrage der deutschen Handelskammer.
(Archivbild) (Foto: picture alliance / dpa) Ein VW-Autohaus nahe Schanghai. Für den Autobauer ist China der wichtigste Markt.
Chinas finanzstarke neue Mittelschicht zählt heute schon 200 bis 300 Millionen Menschen. Diese Zahl könnte sich bis 2020 verdoppeln. Ein Markt ohne Grenzen. Trotzdem importiert Deutschland noch mehr aus China als es dorthin ausführt. Doch der Abstand verringert sich. "Die deutsch-chinesischen Beziehungen sind gut", konstatiert Xu Mingqi von der Schanghaier Akademie für Sozialwissenschaften. Der bilaterale Handel wachse, die Investitionen entwickelten sich. "Früher investierte vor allem Deutschland in China. Jetzt finden gegenseitige Investitionen statt. Chinesische Firmen gehen immer mehr nach Europa", so der Wissenschaftler aus Schanghai.
Ausländische Unternehmen stoßen auf "unsichtbare Mauern"
Doch in die China-Euphorie mischen sich immer öfter auch sorgenvolle Töne. Ausländische Unternehmen beklagen eine unfaire Behandlung auf dem chinesischen Markt, eine Benachteiligung gegenüber der heimischen Konkurrenz. "Unsichtbare Mauern", sagt Ioana Kraft von der Europäischen Handelskammer in China. Wünsche in Richtung Bundeskanzlerin: "Die meisten Unternehmen wollen Marktzugang haben, insbesondere im Bereich der öffentlichen Beschaffung. Das ist ein sehr großer Markt, wo ausländische und europäische Unternehmen sehr wenig beisteuern können, wenig an Aufträge kommen", erklärt Kraft. "Das sind Themen, die wir hoffen, dass die Kanzlerin sie mit ihren Partnern besprechen wird."
Auch in Handelsfragen gibt es Konflikte. Der Westen wirft China eine unfaire Subventionierung ganzer Branchen vor, etwa der Solarindustrie. Deutsche Hersteller können da immer weniger mithalten. Die ersten sind schon pleite. Genug Gesprächsstoff also für Merkels fünfte China-Reise.